Rolling Thunder (1977)

„I had everything worked out but nothing’s gone the way I planned.

1973: Nach sechs Jahren in vietnamesischer Kriegsgefangenschaft kehren Major Charles Rane (William Devane) und Sergeant Johnny Vohden (Tommy Lee Jones) zurück in ihre texanische Heimat. Nicht nur die Erfahrung der vergangenen Jahre macht es für Rane schwer, sich im alltäglichen Leben einzufinden: Sein Sohn hat sich ihm entfremdet und seine Frau hat sich in den Polizisten Cliff verliebt, für den sie Rane verlassen möchte. In einer stoischen Reaktion zieht sich Rane von seiner Familie zurück und verfällt in den strikt reglementierten Tagesablauf, der ihn durch die Gefangenschaft gebracht hat. Die Erinnerungen an Folter und Erniedrigung lassen ihn nicht los. In seiner Heimatstadt wird Rane als Kriegsheld gefeiert und erhält als Willkommensgeschenke einen roten Cadillac sowie 2.555,- Silberdollar -einen Dollar für jeden Tag seiner Gefangenschaft. Eines Tages erwarten ihn vier Schläger in seinem Haus, die Wind von dem Geld bekommen haben. Obwohl sie soweit gehen, Ranes rechte Hand in einem Müllzerkleinerer zu verkrüppeln, weigert sich der Veteran das Versteck des Geldes preiszugeben. Die Verbrecher erschießen seinen Sohn und seine Frau vor Ranes Augen. Nachdem sich Rane von seinen schweren Verletzungen erholt hat, begibt er sich, ausgerüstet mit einer Stahlprothese und einem Arsenal an Schusswaffen, auf einen blutigen Rachefeldzug.

Dem deutschen Verleih ist mit Der Mann mit der Stahlkralle mal wieder ein ganz toller deutscher Titel eingefallen, der den Film scheinbar neben Selbstjustizfilmen wie Dirty Harry oder Ein Mann sieht rot einreiht. Dabei ist der Originaltitel perfekt gewählt. Die „Operation Rolling Thunder“ war die erste Luftoffensive der amerikanischen und der südvietnamesischen Streitkräfte gegen den Vietcong. Und das Trauma, das dieser Krieg nicht nur in den Soldaten, sondern in der amerikanischen Gesellschaft hinterlassen hat, schwebt über jeder Minute des Films. Die Grundidee stammt vom Taxi Driver Autor Paul Schrader (der allerdings mit dem Endergebnis nicht zufrieden war) und tatsächlich lassen sich in der Darstellung der Veteranen in beiden Filmen viele Parallelen ziehen.

Im Gegensatz zu Taxi Driver verzichtet Rolling Thunder aber darauf ein subtiles Porträt des psychologischen Innenlebens seines Protagonisten zu zeigen. Vielmehr stellt er die Entfremdung und die Gedankengänge Ranes in klaren Bildern dar, in ruhigen, kompromisslosen Dialogszenen, die durch gezielt gesetzte Gewaltausbrüche akzentuiert werden. Der Schnitt des Films stammt von Frank P. Keller, der auch die vielleicht spektakulärste Verfolgungsjagd der Filmgeschichte in Bullitt editiert hat.

Es ist diesen Szenen und der vielschichtigen Darstellung der Protagonisten zu verdanken, dass sich Rolling Thunder von den zahlreichen Rachefilmen dieser Zeit abhebt. William Devane gelingt die schwierige schauspielerische Meisterleistung, einen Mann zu spielen, der seine Emotionen tief in sich vergräbt. Mit versteinerter Mimik, die Augen oft hinter der dunklen Fliegerbrille verborgen, strahlt er eine gleichzeitig gebrochene und dennoch unbeugsame Präsenz aus, die den Zuschauer an den unvorstellbaren Erfahrungen eines Kriegsgefangenen teilhaben lässt, ohne das der Film diese explizit zeigen muss. Aber es ist besonders Tommy Lee Jones, dessen Leistung im Gedächtnis bleibt. Seine Darstellung des einfachen, jungen Mannes, der sich in der zivilen Alltagswelt verloren hat und der nur dann aufblüht, wenn er das tun kann, wofür er ausgebildet wurde, ist einfach atemberaubend.

Rolling Thunder ist wirklich kein Film für jedermann und mag, ähnlich wie Taxi Driver in seiner Kompromisslosigkeit und Härte, auf viele abstoßend wirken. Aber, und auch das hat er mit Taxi Driver gemein, es gibt wenige Filme, die ein solch akkurates Porträt eines vom Krieg traumatisierten Veteranen zeichnen. Wer sich mit dem ungekünstelten Stil anfreunden kann, wer sich für die außergewöhnlichen schauspielerischen Leistungen begeistern kann und nebenbei auch noch einen zynischen Rachethriller genießen will, sollte sich diesen Film, der leider immer noch ein Geheimtipp des New Hollywood Kinos ist, auf keinen Fall entgehen lassen.

-Markus

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